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19.09.2025 / 20.09.2025
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Erfahrungsbericht zum NAGAOKA Tonabnehmer MP-700H – Teil I: Einspielphase

Neuer Tonabnehmer Nagaoka MP-700H mit Headshell
Neuer Tonabnehmer Nagaoka MP-700H mit Headshell

Wir geben zu – wir würden nichts Schlechtes über den Nagaoka MP-700H berichten, aber könnten wir das überhaupt? 

Nagaoka ist nicht gerade dafür bekannt, ständig neue Produkte auf den Markt zu bringen. Und warum sollten die Japaner auch – das Rad neu zu erfinden, steht nicht auf der Agenda. Abgesehen davon blickt der Hersteller, der ganz nebenbei für einen Großteil der weltweit verwendeten Nadeln verantwortlich ist, auf ein sauberes, solides Sortiment guter Tonabnehmer in der Preisklasse bis 1.000,- Euro. Das neue MP-700/MP-700H geht nun über diese Marke hinaus. Was macht den neuen Tonabnehmer aus? Wie verhält er sich beim Einspielen? Was sind die Stärken und Schwächen? Es folgt kein allumfassender Test, sondern ein Erfahrungsbericht mit dem MP-700 an einem soliden HiFi-Setup.

Direkt aus der Verpackung, an einen Technics SL-1200M7L montiert und sauber justiert, fallen gleich zwei Dinge auf: Erstens ist die relativ geringe Auflagekraft von 1,4 g für den MI-Tonabnehmer ungewöhnlich, und zweitens sorgt das solide Headshell aus Aluminium mit seinem zusätzlichen Gewicht dafür, dass wir beim Technics erst einmal ein Zusatzgewicht anschrauben müssen, um überhaupt justieren zu können. Nachdem dies abgeschlossen ist, machen wir uns auf das Schlimmste gefasst, denn Nagaoka-Tonabnehmer sind erst nach einer gewissen Einspielphase wirklich zu genießen. Doch wir machen eine ganz neue Erfahrung: Der Tonabnehmer gibt sich eher freundlich als widerspenstig, eher offen für (fast) alles, was man ihm unter die Nadel hält, als skeptisch und zurückhaltend. Er macht eher den Eindruck von jemandem, der nicht erobert werden möchte, sondern lieber schaut, wie er es sich hier bequem machen könnte.

Nicht zu sehen: Nadelschutz und Abdeckung. Der Tonabnehmer ist perfekt und sicher verpackt.
Nicht zu sehen: Nadelschutz und Abdeckung. Der Tonabnehmer ist perfekt und sicher verpackt.

Einspielphase

Natürlich, out of the box klingt auch der MP-700H flach, wenig brillant, doch der erste Ton verbreitet bereits Aufbruchstimmung. Dieser erste Ton stammt vom A Very Lonely Solstice-Album der Fleet Foxes – akustische Gitarre, am Anfang ein Chor und die helle Stimme von Robin Pecknold. Das alles in einer Kirche – alles klar und deutlich zu hören – mit einem leichten Anflug von Dreidimensionalität, wie gesagt, gleich out of the box. Die Arctic Monkeys sind mit ihrem Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not sicherlich nicht die übliche Feinkost, um sich über die Qualität eines Tonabnehmers oder dergleichen auszulassen, doch die Platte verfügt über erstaunliche Momente, die der japanische Abtaster mühelos herausarbeitet. Wenn zum Beispiel die leicht jazzig dahinplätschernde Gitarre bei Fake Tales of San Francisco von links nach rechts wandert oder das erste Mal, wenn die Stimme von Sänger Alex Turner aus der Dose herausklettert und bei Riot Van über das Schicksal ein paar aufmüpfiger Jugendlicher singt. Das MP-700H hat noch keine zwei Stunden gespielt, und man kann dabei zuhören, wie es sich setzt – ganz selbstbewusst. Tom Waits dehnt den Raum mit Swordfishtrombones dann noch ein wenig aus und stellt Bässe mit echtem Leben ins Zimmer.

Das Audiosystem, an dem getestet wird, ist relativ einfach: Vollverstärker Audionet Sam V2, Technics SL-1200M7L (wie bereits erwähnt), Phonostufe von Linn und Zwei-Wege-Lautsprecher von Fischer & Fischer. Die Stromversorgung kommt von einem älteren Transparent PowerIsolator.

Was steckt drin?

Das MP-700H verdankt sein Dasein einem jungen Entwickler, der sich die Nagaoka-Tonabnehmer des japanischen Herstellers erst einmal genauer angeschaut hat, bevor er sich an die Kreation des größten Tonabnehmers im Nagaoka-Produktportfolio gewagt hat. Herausgekommen ist dabei ein Tonabnehmer, der das Nagaoka-Fertigungsprinzip um einige Elemente erweitert. Ganz vorne verrichtet ein geschliffener Diamant mit Micro-Ridge seinen Dienst, der feinste Details herausarbeitet und dabei für ein Höchstmaß an Authentizität sorgt. Die weichere Dämpfung der Aufhängung verbessert die Reaktionsfähigkeit – was oft mit dem Verlust von Kontrolle einhergeht. Hier kommt ein spezieller Aufhängungsdraht zum Einsatz, der unkontrollierten Bewegungen effektiv entgegenwirkt, ohne wiederum die Dämpfung negativ zu beeinflussen. Diese Teamarbeit wird durch ein Gehäuse mit dreifacher Oberflächenbehandlung geschützt, die statische Aufladung reduziert und die Hitzebeständigkeit erhöht.

Das MP-700H inkl. Headshell ist bereits vormontiert. Ohne Headshell lässt es sich mit seinen 8 g problemlos an fast jeden Tonarm montieren.
Das MP-700H inkl. Headshell ist bereits vormontiert. Ohne Headshell lässt es sich mit seinen 8 g problemlos an fast jeden Tonarm montieren.

Auch wenn es eigentlich keinen Sinn macht, in dieser frühen Phase Strawinskys Le Sacre du Printemps mit Leonard Bernstein am Dirigentenpult aufzulegen – wir sind neugierig. Vor allem nach der jetzt schon ziemlich brillanten Wiedergabe von Tom Waits’ Rainbirds, dem letzten Stück auf der zweiten Seite von Swordfishtrombones.

Wir werden nicht enttäuscht mit unserer Erwartungshaltung, enttäuscht zu werden – aber wir wissen es ja besser. Der Anfang klingt sperrig, unangenehm – nein, nicht Strawinskys Kompositionskunst oder die New Yorker Philharmoniker – es klingt alles ein bisschen pappig und verhalten. Doch nur kurze Zeit später schießt der Frühlingssamen brutal aus dem Boden und die tiefen Streicher und die sogenannte Wind-Sektion preschen mit einer unerwarteten Wucht in den Vordergrund – ohne dabei die Details zu vergessen. Keine Frage, das große Orchester klingt noch lange nicht so, wie man es sich bei einem Tonabnehmer dieser Klasse wünscht, aber man erwartet ja auch von einem Viertklässler keine Abhandlung über Kafka (na klar, auch Viertklässler wissen, wie man ChatGPT bedient) – wir sind immer noch in der Einspielphase.

Um zu hören, was er in der Oberstufe zu leisten vermag, lassen wir den MP-700H erst noch ein wenig einspielen, denn nach wie vor gilt: Nagaoka-Tonabnehmer brauchen länger. Allerdings ist der Neuzugang in seiner Entwicklung schon nach kurzer Zeit sehr fortgeschritten und vielversprechend.